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Der Widerschein der Existenz
Zum Werk Ute Vauk-Ogawas
Text von Kolja Kohlhoff, Kunsthistorikerin Berlin
In den Seitenschiffen der Zionskirche platziert Ute Vauk-Ogawa zwei sehr unterschiedliche und gleichfalls typische Arbeiten für ihr Werk. Links leuchtet die Bodenarbeit „Sonnendornen“. Aus in kräftigem Rot eingefärbtem Hanf breiten sich die verschieden großen Farbinseln rhythmisch im Raum aus. Die unbändigen Hanffasern hat die Künstlerin zu Kreisen zusammengefasst und in der Mitte verklebt und so geformt. Aus vielen „Sonnen“ ragen dunkle, hohe, bedrohlich wirkende Spitzen hervor, andere weisen die Form eines Vulkans in ihrer Mitte auf und richten sich eher in die Horizontale. Form und Formloses – Ausfransendes -, Hartes und Weiches, Stechendes und Fließendes treffen so aufeinander und schaffen eine Ambivalenz zwischen Schönheit und Schrecken.
In dem vierteiligen Siebdruck „Offshore“ auf der anderen Seite ruft allein der Titel
verschiedene Bedeutungsebenen auf. Meint der Begriff zunächst Auslandsverlagerung, so wird er seit einigen Jahren mit den internationalen, intransparenten und illegalen Finanzabflüssen verbunden. Er ist als das Exterritoriale zu verstehen und bedeutet in der Seemannssprache ablandig, was bedeutet, festen Boden verlassen zu haben. In dem Bewegungsbild drängt eine sich umwendende Figur nach vorne, zwei weitere laufen in dieselbe Richtung, vor denen eine Gruppe mit nach oben gerissenen Armen sich teils zurückblickend vorwärts bewegt und in einem Knäul von Körpern mündet, die stolpernd, fallend weiter getrieben werden und sich zu einem undurchdringlichen, chaotischen Netz vereinigen, in dem der Einzelne im undurchsichtigen Gewebe verschwindet. Aus dieser sich überlagernden Menschenmasse werden nach unten Stürzende ausgespuckt. Die Künstlerin
schafft ein existentielles Bild des Getrieben- und Geworfen Seins, dass sich aus
gegenwärtiger Perspektive, obwohl 2014 entstanden, auch als ein Bild des Vertrieben Seins lesen lässt. Das nach vorne Streben der Menschen und das gleichzeitige Rückblicken Einiger zeichnet sie als in einem Dazwischen Sein aus, einem nicht Angekommenen, was nicht nur auf die Geflüchteten zu beziehen ist, sondern als Metapher des menschlichen Daseins allgemein zu verstehen ist.
Auf der Empore lädt uns Ute Vauk-Ogawa in ein Schattenreich. In ihrer Serie aus
Gummidrucken, bestehend aus 12 Blättern von denen hier 5 gezeigt werden, konfrontiert sie die Betrachter mit ganz unterschiedlichen menschlichen Gemütsverfassungen. Die Bewegtheit der Dargestellten schwebt hier zwischen Fallen und sich fallen lassen, zwischen Vereinzelung und Zusammentreffen, dem sich Begegnen, Vereinigen und Auseinanderstreben oder Gerissen Werdens. Ekstase und Katastrophe treffen aufeinander und sind auch nicht immer eindeutig unterscheidbar. Im Tanz ist der Sturz schon enthalten. Auch hier betreibt sie ein doppeltes Spiel der Bedeutungen, die die Zwiespältigkeit der Existenz einfängt. Dies um so mehr als das einige Blätter auch von Hinten bedruckt sind und die durchscheinenden Figuren, wie Schatten der Schatten erscheinen.
Ihre turmartige Arbeit gleichen Titels hat die Künstlerin für die Kirche neu und anders
arrangiert. Hingen die menschlichen Schatten ursprünglich von der Decke, wodurch sich ihre Körper verformten und vor allem die Köpfe und Gliedmaße nach unten strebten, sind sie nun vom Gerüst aufgefangen oder aber auf dem Boden aufgetroffen. Das Schwebende der vormaligen Installation, auch im Sinne des Angehaltenen, ist hier zu einem Definitiven geworden.
„Eines Schattens Traum sind Menschen“ heißt es vor 2500 Jahren schon bei dem
griechischen Dichter Pindar.
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