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Offshore

Text von Kolja Kohlhoff, Kunsthistorikerin Berlin

Ute Vauk-Ogawa platziert ihre vielteiligen plastischen Arbeiten meistens raumgreifend auf dem Boden, hier hingegen macht sie die Wände zu ihrer Bühne. Erscheinen ihre rotglühenden Figuren zunächst wie auf die Wand gezeichnet, zeigt sich schnell, dass sie, als aus Draht gefertigte und anschließend bemalte, vor die Wand gehängt wurden, was sie noch haltloser macht. Titel der Arbeit ist „Offshore“, was in der Seemannssprache ‚ablandig‘ bedeutet, also einen Ort jenseits des festen Boden meint. Das Bodenlose wird zum strukturierenden Thema der Arbeit, denn die Figuren scheinen einerseits getrieben, andererseits erfasst vom freien Fall: Ein Höllensturz, der sowohl die antike Mythologie als auch biblische Erzählungen aufruft. In den Figurationen treten uns aber weder Titanen noch gefallene Engel entgegen, sodass die kollektive Imagination auf andere Weise ins Spiel kommt. Es ist jenes Archetypische des Fallens, so wie es uns im Traum erscheint – ein Fallen, dessen Ursache oft im Dunklen bleibt und vor dem uns erst das Aufwachen rettet. Im Unterschied zu solchen Träumen sind die leuchtenden Figuren nicht vereinzelt, sondern sie stürzen aufeinander zu oder gar ineinander, um sich zu unentwirrbaren Figurationen zu verknäulen. In dem ausgestellten Siebdruck überlagern sich die Figuren so stark, dass sie zu einem undurchdringlichen Netz werden, das die einzelnen darin verschwinden lässt. „Offshore“ wird so zu einem archetypischen Angstbild.

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